L.T., 17 Jahre, Anorexie:
«Meine Eltern sind sehr sensibel. Vor allem meine Mutter. Ich beschwere mich nicht. Ich habe unglaubliche Eltern, die immer für mich da sind, aber weil sie so um mich kümmern, fühle ich mich auch bedrückt. Ich kann meine Gefühle ihnen nicht ganz sagen und erklären, weil sie sich dann immer so viele Sorgen machen. Ich wäre gerne die Tochter, die ihnen keine Sorgen bereitet.
Natürlich schätze ich die Fürsorge meiner Eltern unglaublich fest. Aber manchmal kann ich meine Emotionen nicht verstecken. Mit dem meine ich, ich zeige ihnen nicht gerne meine Emotionen, weil sie sehr sensibel sind. Und ich möchte sie nicht traurig machen und sie bekümmern.»
Diese Zeilen machen deutlich, womit junge Betroffene im Alltag kämpfen: Nicht nur mit der eigenen Verhaltensauffälligkeit und Emotions- sowie Gedankenchaos. Sondern ebenso stark mit dem Umfeld, und allem, was um sie ist.
Ganz weit oben steht das Schuldgefühl.
Ihr Kind sucht ein positives vorbild
Viele Angehörige glauben : «Ich bin die gesunde Person / ich bin die starke Person / ich bin die, die richtig handeln muss». Leider sabotiert diese übergeordnete Einstellung einen autonomen Genesungsprozess oftmals unbewusst mehr, als dass sie ihn unterstützen.
Eltern müssen die unangenehmen Gefühle des Kindes
Tracy Wagner, Psychologin und wissenschafltiche Mitarbeiterin bei Pro Juventute
miterleben, aushalten und regulieren.
Betroffene sind sehr feinfühlig und merken, wenn Gesprochenes mit Empfundenem nicht übereinstimmt. Betroffene suchen vor allem Vorbilder, an denen sie sich orientieren können, sowie Ehrlichkeit.
Die wichtigste Message an Eltern, Angehörige und Fachpersonen sehe ich darum darin, die eigene Angst regulieren zu lernen, und sich genauso wie Betroffene den momentanen Erfahrungen hinzugeben. Dabei hat jeder seine eigene Aufgabe.

Robert und Lynn Winzenried.
Als Angehörige ist es Ihre Aufgabe, Ihre eigenen Emotionen, Leiden und Unsicherheiten ernst zu nehmen, auszuhalten und sich auf diesem Weg selbst gut zu begleiten, sowie ruhig und souverän zu bleiben. Damit Ihre eigene menschliche Unsicherheit und Angst sich nicht zusätzlich auf die Situation legt und Leiden sich kumuliert.
Begleiten heisst teilen
Sie sind Vorbild.
Zeigen Sie Präsenz. Nehmen Sie Ihr Kind ernst.
Ziehen Sie Konsequenzen für sich, wo Sie sich abgrenzen müssen.
Holen Sie Hilfe und teilen Sie Verantwortungsbereiche.
Glauben Sie an die Betroffene. Und überlassen Sie den Prozess da, wo er hingehört: In der Verantwortung und Vertrauen Ihres Herzensmenschen.
Angehörige können nur ein bestärkendes, sicherndes Backup sein; keine Lösung. Nicht der Retter.
Bei emotionalen und mentalen Fragen stehen wir Ihnen zur Seite.